Susanne Rieser und Susu Friedli von Satt & Selig arbeiteten im IWB, Integriertes Wohnen für Menschen mit körperlicher Behinderung, zusammen. Mittlerweile sind die beiden befreundet, und Susanne hat die BoE gänzlich in ihr Leben integriert. Ein Gespräch über Ernährung und Gesundheit.

Susu: Was hat dich dazu bewogen, deine Ernährung auf die BoE umzustellen?

Susanne: Im Gegensatz zu anderen Menschen, die ihre Ernährung umstellen, hatte ich keine Beschwerden. Du hast mir bei der Arbeit so einiges über die BoE erzählt, und wir haben jeweils zusammen gegessen. 

Mir leuchtete der Zusammenhang von Frühstück und Abendessen und dem Energiehaushalt ein. Weil ich die Idee interessant fand, habe ich die BoE ausprobiert. Ich merkte nicht einmal so sehr, dass sie besonders gut tut, sondern vertraute dem, was du mir sagtest. 

Etwas später verstand ich dann, dass das Weglassen von Eiweiss am Abend wirklich auch besser für die Erholung ist. 

Du hast dann Satt & Selig gegründet und Ernährungsberatung angeboten, und weil wir mittlerweile befreundet waren, habe ich viele Details mitbekommen und immer besser verstanden, worum es bei der BoE überhaupt geht.

Der nächste Schritt war dann, dass du zu uns nach Hause kamst und mir und meiner Familie einen ganzen Tag lang zeigtest, wie die BoE funktioniert. So lernten auch mein Mann und unsere drei Kinder die Grundlagen der BoE kennen. Da waren die Kinder noch ein ganzes Stück jünger.

Susu: Das war tatsächlich Satt & Selig Pionierarbeit. Das erste Mal, dass ich die BoE bei jemandem zuhause vermittelte.

Susanne: Ja, es war sicher gut, dass das auch unsere Kinder einmal hörten. Inzwischen sind alle erwachsen. Damals waren sie 14, 17, 20. Rosa, meine älteste Tochter, hat Köchin gelernt. In dieser Ausbildung hat sie sehr vieles gelernt über Nahrungsmittel, den Umgang, das Zubereiten, das Anrichten und Menüs zusammenstellen und über die Nährstoffe. Aber die Wirkung der Nahrungsmittel wie wir sie dann von der BoE lernten, war kaum Thema ihrer Ausbildung.

Insgesamt glaube ich, dass es für uns als Familie schon wichtig war, uns etwas genauer mit dem Essen auseinanderzusetzen. 

Viel intensiver als für mich, war die Umstellung auf die BoE für meinen Mann. Für ihn war die Unterzuckerung ein grosses Thema. Er hat sich sehr angesprochen gefühlt und die BoE relativ schnell integriert.

Susu: Ja, stimmt, und er hatte auch wieder stärkere Nerven für seine Schüler. War er nicht insgesamt besser gelaunt, nachdem er die Ernährung umgestellt hatte?

Susanne: Ja, absolut. Und dann kam ja eines Tages die BoE-Challenge. Dabei merkte er, dass es ihm gelingt und gut tut, die BoE konsequent in den Alltag zu integrieren. Da war er schon sehr begeistert.

Die Kinder kennen die BoE von zu Hause, sie haben einiges mitgenommen von der Zubereitungsart, speziell für das Gemüse. Aber vom Tagesrhythmus her essen sie nicht speziell BoE-orientiert. Am ehesten haben sie vielleicht das salzige Frühstück für sich übernommen. Für sie ist das Thema vielleicht auch noch nicht so wahrnehmbar.

Die Kinder nehmen sicher mit, dass wir immer frisch kochen. Manchmal tut es mir leid zu sehen, wie sie sich unterwegs verköstigen und ich sehe auch, wie anspruchsvoll es ist, gut zu essen, wenn man viel unterwegs ist und nicht geregelte Mahlzeiten einnehmen kann. Aber ich glaube, dass es nachhaltig ist, dass sie bei uns die Auseinandersetzung und Wertschätzung der Nahrungsmittel sehen. Von der Produktion bis zur Zubereitung. Da bleibt schon etwas hängen.

Susu: Wie lange hat bei euch die Umstellung auf die BoE gedauert?

Susanne: Das kann ich nicht so genau sagen, aber je länger wir uns nach BoE ernährten, desto eher haben wir vor allem bemerkt, was uns NICHT gut tut, wenn wir es NICHT machen.

Es lief also eher umgekehrt, wie so oft im Leben: wenn es wohl und ok ist, nimmt man es als selbstverständlich, und erst wenn etwas stört, erst dann nimmt man es wahr. Das ist zum Beispiel mit dem Schlaf so, wenn man schwer gegessen hat am Abend, wie z.B. mit Fleisch. Auch wir haben früher abends oft schwer gekocht.

Inzwischen machen wir das nicht mehr. Und wenn es trotzdem einmal vorkommt, weil es halt so schön ist in Gesellschaft, ein Fondue oder ein Raclette zu essen, dann wissen wir voraus schon, wie es herauskommt: wir sind nachts wach und schwitzen und merken, wie angenehm die BoE-Regel ist, abends Gemüse und Getreide zu essen.

Susu: Nehmt ihr jeweils Verdauungshilfen, wie Essiggurken oder Schwarztee?

Susanne: Ja, das probieren wir. Auch mal einen Tönnies-Schnaps. Ja, auch Essiggurken, wenn wir zuhause sind. Aber oft kommt es mir gar nicht in den Sinn.

Gerade gestern haben wir gefeiert, dass man nach der Coronasperre wieder ins Restaurant darf und hatten Pizza zum Abendessen. Und etwas Alkohol. Vor dem Schlafen hatte ich einen bitteren Tee, um meine Leber ein bisschen zu unterstützen.

Susu: Was überzeugt dich an der BoE?

Susanne: Besonders, dass der Schlaf das sein kann, was er sein soll: Regeneration. Das halte ich für zentral. Das Gefühl, wenn ich abends Gemüse und Getreide esse, das gibt so eine Ruhe, ein Sattsein, das leicht ist und zufrieden. Ich brauche dann gar nicht mehr.

Susu: Wie esst ihr heute, was hat sich ganz konkret verändert?

Susanne: Was ganz fix drin ist, sind das salzige Frühstück, und Getreide und Gemüse zu Abend. Mittags essen wir Kartoffeln.

Manchmal erinnern wir uns an die Brot-Abendessen, das Café Complet mit Brot und Käse und Fleisch dazu. Oder auch das Geköch am Abend. Wir konnten über eine lange Zeit Fleisch von einem befreundeten Bauern beziehen und haben das Fleisch halt abends gekocht. Die Kinder erinnern sich manchmal daran und staunen, dass wir uns so verändert haben in unserem Ernährungsverhalten.

Susu: Wie ist es, wenn ihr Freunde einladet?

Susanne: Wenn wir Gäste haben, versuchen wir manchmal eine Zwischenform zu finden oder werfen alle BoE-Grundsätze über Bord und machen auch mal eine Lasagne. Aber es ist immer ein Thema. 

Susu: Welche Nahrungsmittel lässt du seit der Umstellung auf BoE weg? Oder gibt es welche, auf die du keine Lust mehr hast?

Susanne: Mein Einkaufsverhalten hat sich verändert. Wir beziehen das Gemüse teilweise von Solawi Fondlihof (Solidarische Landwirtschaft). Ab und zu bestelle ich bei Crowd Container. Die Qualität ist sehr hoch. Ich versuche, frische Nahrungsmittel über solche Kanäle zu beziehen. Ein echter Luxus, dass wir uns das leisten können. 

Gar keine Lust habe ich auf verarbeitete Nahrungsmittel, wie z. B. gekaufte Kekse zum Dessert nach dem Abendessen. Es kommt schon mal vor, dass ich sie noch esse, aber es ist sehr selten. Viel öfter esse ich dafür nach der Mahlzeit ein kleines Stück schwarze Schokolade zum Dessert.

Es ist mir ein Anliegen, den raffinierten Zucker immer mehr wegzulassen. Hier sehe ich den Zusammenhang des gesamthaft ausgeglichenen Essens: es verringert die Zuckerlust. Das spüre ich sehr, seit ich mich nach BoE ernähre. 

Ich schaue gar nicht so bewusst darauf, wie z. B., dass ich jetzt noch mehr Vitamin B1 zu mir nehmen sollte, um die Zuckerlust zu senken. Es sind mehr die Dinge, die in die alltägliche Ernährung eingeflossen sind, die mich mehr im Gleichgewicht halten. Ich verzichte ja nicht komplett auf Zucker, merke aber einfach, dass es mir besser geht, wenn ich ihn weglasse. Mit weissen Bohnen, Linsen, Cenovis aufs Brot. Damit ist die Zuckerlust mehr und mehr weggegangen.

Susu: Hast du auch gewichtsmässig einen Unterschied bemerkt?

Susanne: Im Moment hätte ich gern 2-4 kg weniger, das wäre super. In der Fastenzeit habe ich versucht, auf Kaffee zu verzichten, was mir anfangs sehr schwer gefallen ist. Und auch auf Zucker. Beim Zucker war ich nicht so konsequent, beim Kaffee schon. Das hat sich nicht sonderlich auf das Gewicht niedergeschlagen. Aber als ich mit dem Kaffee- und Zuckerfasten aufhörte, habe ich zugenommen. Da merke ich: lieber kein Verzicht. Der Jojo-Effekt hat sich hier gut gezeigt.

Susu: Bitte zähle deine Lieblingsspeisen auf und warum du diese liebst

Susanne: Gerste, verschiedene Getreide, Saisongemüse, abwechslungsreich. Hirse ist nicht ganz so beliebt, gibts nicht sehr häufig, Buchweizen als Getreide praktisch nie. Ab und zu aber Omeletten mit Buchweizenmehl.

Ich finde das Gemüse nach BoE fantastisch. Egal, was es ist, ich liebe es. 

Also, natürlich mag ich auch einen Teller Pasta, das ist schon immer wieder fein. Ach ja, und die Kartoffeln am Mittag. Das klingt so langweilig, aber ich esse sie einfach gern. Je nach Zeit, gibt es mehr Variantenreichtum oder weniger. Aber ich finde Kartoffeln einfach immer fein, mit etwas Salat und Bohnen oder Kichererbsen drin.

Zum Glück kann ich mir auch die Zeit nehmen. Das ist ein nicht zu unterschätzender Faktor in der heutigen Zeit. Essen zubereiten braucht Zeit. Klar kann man das effizient gestalten. Aber trotzdem: um das Essen täglich frisch zuzubereiten, braucht es Zeit. 

Susu: Und du nimmst sie dir auch. Im Grunde könntest du sie dir auch anders füllen, aber du setzt sie für die Nahrungszubereitung ein.

Susanne: Ja, das stimmt. Das nervt mich manchmal auch. In der Coronazeit hat mein Mann von zuhause aus gearbeitet und bereitete ab und zu etwas zu. Da merkte ich erst, wie viel mehr Zeit ich dadurch hatte und wie viel Zeit ich normalerweise für die Nahrungszubereitung aufwende.

Susu: Erkennst du seit der Umstellung auf BoE die Bedürfnisse deines Körpers besser oder schneller?

Susanne: Ja, ich wüsste, was gut wäre, aber manchmal kommen mir Gewohnheiten und eine gewisse Faulheit in die Quere. Zum Beispiel mit dem Kaffee. Er tut mir nicht wirklich gut, aber ich bin nicht bereit, mich endgültig davon zu lösen. Es geht mehr um das Ritual, den Morgenkaffee mit meinem Mann zusammen zu trinken.

Die Bedürfnisse des Körpers besser zu kennen, ist ein Prozess, der immer weitergeht. Das hat nicht nur mit dem Ernährungsbewusstsein zu tun, sondern auch mit dem Yoga, das ich praktiziere und wo es eben auch genau darum geht. Es ist immer wieder spannend zu merken, wo im Prozess ich mich gerade befinde.

Susu: Wie unterstützt du deine Gesundheit sonst noch, ausser mit dem Essen?

Susanne: Mit dem Tagesrhythmus. Der ist natürlich schon sehr strukturiert durch das Essen. Struktur ist wichtig. Ein Rhythmus ist sehr unterstützend für den Organismus und für die Gesundheit. Das bezieht sich natürlich nicht nur aufs Essen, sondern auch aufs Schlafen und Wachsein, Tag-/Nachtrhythmus. 

Yoga unterstützt mich auf jeden Fall auch in meiner Gesundheit. Das gehört zu meinem Tagesrhythmus. Yoga ist das erste, was ich mache am Morgen. Inzwischen gehört es zu meinem Tag. Auch die Auseinandersetzung mit der Philosophie des Yoga oder auch des Buddhismus, ist in meinen Alltag eingeflossen.

Susu: So ist dein Geist noch anders genährt? Du kannst also auch mit Stress anders umgehen, und das wiederum wirkt sich auf die Gesundheit aus?

Susanne: Für mich beginnt Gesundheit im Geist. Ein gesunder Geist ist massgebend fürs Wohlbefinden. Wohlbefinden halte ich ohnehin für den treffenderen Begriff als Gesundheit. Man kann vielleicht körperlich versehrt sein und sich trotzdem wohl fühlen, weil ein gesunder Geist mit der Situation umzugehen weiss. 

Es ist mir ein Anliegen, meinen Gedanken Sorge zu tragen. Auf sie kann ich Einfluss nehmen. Eine Frage der Übung. Wenn ich es immer wieder übe, meine Gedanken beobachte und merke, was ich daran verändern kann, werde ich darin immer besser. Das sind Dinge, die zu wissen alleine nicht ausreichen – man muss sie machen. Wie mit dem Yoga. Das ist ein Weg. Tag für Tag praktizieren, und dadurch gibt es eine Veränderung. Das hilft schliesslich der Gesundheit. 

Bewegung generell halte ich für essenziell. Ich bewege mich viel mit dem Velo, gehe laufen und spazieren. 

Der Alltag bietet so viele Möglichkeiten für Bewegung, auch im Kleinen. Etwas gleich im Keller versorgen, anstatt es liegen lassen. Die drei Busstationen zu Fuss gehen etc. Das sind super Gelegenheiten, sich zu bewegen. Es ist wie mit dem Kochen: es ist eine Entscheidung. Bewegung braucht Zeit, aber es zahlt sich auch aus.

Susu: Wie lautet deine ganz persönliche Definition von Wohlfühlen, bzw. Gesundheit? 

Susanne: Im Moment beschäftige ich mich viel mit dieser Frage im Rahmen meiner Ausbildung zur Komplementärtherapeutin Yogatherapie. Es geht um ein permanentes Finden eines Gleichgewichts. Wohlbefinden ist ein Gleichgewicht in Körper und Geist. Und es ist nie ein Zustand, sondern immer ein Prozess, in dem man drinsteckt. Das kann sehr entlastend sein. Ein Prozess bedeutet immer, dass sich etwas verändern kann, dass man sich immer wieder dem Wohlbefinden annähert und sich wieder davon entfernt und sich dann wieder annähert usw. Das ist etwas Dynamisches.

Wie merke ich, dass ich von dieser guten Linie wegkomme? Ich merke zum Beispiel, dass ich genervt bin, Kopfweh habe, die Verdauung nicht funktioniert oder Ähnliches. Diese Symptome sagen mir aber noch nicht, dass ich krank bin. Sie sind nur Winkehände, die zeigen, dass etwas nicht im Gleichgewicht ist. Wenn ich diese Symptome wahrnehme und annehme, ist das der erste Schritt zurück ins Gleichgewicht. Und dann komme ich wieder zu dem, was ich vorhin schon gesagt habe: mit dem Training des Geistes, wie er mit so einem Unwohlsein umgehen kann, mit einer wohlwollenden Haltung der Situation gegenüber, bin ich schon wieder auf halbem Weg zurück ins Wohlbefinden.

Susu: Vielen Dank, Susanne, für den Einblick in deine BoE-Welt!